Mittwoch, 21. September 2016

Beziehungsarbeit

Liebes Coaching Tagebuch!

Jeder der mit Menschen arbeitet sollte beachten, dass es immer um Beziehungsarbeit geht. Ob als Lehrerin, Trainerin, Coach, oder Führungskraft, wir werden nur dann erfolgreich in unserem Tun sein, wenn wir dieses Thema beachten und berücksichtigen. Auch in der Arbeit mit Tieren findet dieser Aspekt große Bedeutung.

Aber was genau meine ich mit Beziehungsarbeit?
Beziehungsarbeit bedeutet, gezielt auf  einen Menschen zuzugehen, etwas gemeinsam mit ihm zu erleben, persönliche Berührungspunkte herzustellen oder andere in der Beziehungsbildung anzuleiten. Einfacher ausgedrückt bedeutet es eine sinnvolle Begegnung mit einem anderen herzustellen. Der andere ist einem wichtig, seine Gefühle werden respektiert und seine Persönlichkeit als wertvoll erachtet. In meiner Arbeit als Coach geht es primär nicht um Techniken und Methoden, sondern zunächst einmal um "Beziehung". In weiterer Folge ist dann mein Wissen als Expertin gefragt.

Lass mich das liebes Tagebuch auch wieder anhand von tierischen Beispielen erklären. Wenn ich möchte, dass mir mein Pferd vertraut und mir uneingeschränkt folgt, muss ich zuerst an der Basis arbeiten, an unserer Beziehung. Natürlich kann ich erlernte Techniken einsetzen, aber diese werden mir Grenzen aufzeigen. Ich muss mich als würdig erweisen und das geht nun mal nicht ohne Beziehung.

In der Beratung von Menschen ist es ähnlich. Die ersten Stunden verbringe ich damit mein Gegenüber kennen zulernen. Die Gefühle, die Persönlichkeit zu verstehen, um mich in weiterer Folge darauf einlassen zu können. Meine Klientinnen müssen auch mich verstehen, einschätzen wie ich ticke, um mir in weiterer Folge vertrauen zu können. Und ich gebe auch von mir und meinen Gefühlen etwas preis. Ich bin kein Fan des "Bedeckthaltens", obwohl das in meinem Beruf üblich ist. Erst wenn ich das Gefühl habe, dass mein Gegenüber und ich auf dieser Beziehungsebene funktionieren beginnt die eigentliche Arbeit. Das ist ja jetzt nicht wirklich etwas Neues, aber dass unser ganzes Leben aus Beziehung besteht, habe ich erst in ganz anderen Situationen verinnerlicht.

Das Training mit meiner Stute Fly läuft seit Wochen überdurchschnittlich gut. Sie ist kooperativ, hört zu und lässt sich auf neue Übungen ein. Das ist mir manchmal schon unheimlich. Ich habe ja oft schon erzählt, dass die Grenzen zwischen Genie und Wahnsinn bei Fly fließend sind. Aber liegt es wirklich an ihr? Oder sind das auch die Zeichen unserer Beziehung, wo wir beide im Moment gerade stehen.  Läuft alles super, dann passt unsere Beziehung. Führung, Vertrauen ist geklärt. In den schlechten Zeiten sollte ich mir dieses Wissen wieder zu Herzen nehmen und an der Basis arbeiten, an unserer Beziehung! Lieber wieder ein paar Schritte zurück um dann gemeinsam mit viel Freude zu den Genie Momenten zu gelangen.

In meinem neuen Projekt sind mir meine neuen Co Trainer nicht vertraut. Um die Pferde aber in meiner Tätigkeit als Personal Coach im tiergestützten Setting gezielt einsetzen zu können, muss ich die einzelnen Charaktere zuerst kennen lernen. Auch hier ist es meine Aufgabe Beziehung herzustellen. Was eignet sich dazu besser als Bodenarbeit. Ich habe auch die Erlaubnis die Pferde zu reiten. Das wäre jetzt für meine Arbeit nicht notwendig und war so auch nicht geplant. Dennoch habe ich mich letzte Woche wieder auf mein Bauchgefühl verlassen.Besonders berührt hat mich eine Stute, die angeblich immer sehr nervös ist und dazu neigt, loszulaufen. Da ich das spontan entschieden habe, bin ich nur mit Knotenhalfter und Pad (ohne Sattel) geritten. Zunächst nur im Schritt. Lisi, die Haflingerstute war ganz ruhig. Ich habe sie für jede richtige Reaktion im Übermaß gelobt und dadurch eine gute Beziehung hergestellt. Ich wollte sie nicht überfordern, sie durfte "bestimmen" wie weit unser erster gemeinsamer Ritt gehen durfte. In nur 15 Minuten sind wir in allen Gangarten am langen Zügel Lektionen und Figuren geritten und es war einfach nur wunderbar. Keine Spur von Nervosität oder mir unter dem Po davon laufen. Sie hat kein einziges Mal gemistet, und das obwohl sie unter chronischem Durchfall leidet, hat zufrieden abgeschnaubt und ihre Augen waren total entspannt.

In letzter Zeit werde ich von Freundinnen immer häufiger gefragt, ob ich ihnen beim Reiten zusehen kann und  Tipps habe. Ich bin weder eine Trainerin, noch eine überdurchschnittlich gute Reiterin. Aber ich kann mich auf Menschen und Tiere einlassen. Ich sehe viel und noch viel mehr kann ich mich auf mein Gefühl verlassen. Ich vermittle keine Techniken, ich lasse mich ganz einfach auf die Mensch - Tier Beziehung ein. Schwerpunkt ist die Ganzheitlichkeit, sprich die Basis.

Bei ängstlichen Reiterinnen macht es wenig Sinn alle Gangarten abzurufen. Basis ist Vertrauen und Sicherheit in sich selbst und in das Pferd. Pat Parelli erklärt die Angst auch wunderbar mit einer körperlichen Anspannung, die sich sofort auf das Pferd überträgt. Wir Menschen können uns bewusst unserer Angst stellen, die körperliche Anspannung bleibt. Chaos vorprogrammiert. Deswegen braucht es vieler vertrauensbildender Maßnahmen. Erst dann macht es Sinn sich einer neuen Gangart zu widmen.
Manchen Reiterinnen ist ein eintöniges Training auch zu wider. Davon kann ich ein Lied singen. Schritt, Trab, Galopp am Zirkel, ein wenig dehnen und biegen und das Woche für Woche. Mir ist langweilig, ich bin genervt und kein Wunder wenn es meinen Pferden auch so ergeht. Ist doch eine schreckliche Vorstellung als Westernpferd im Viereck immer das gleiche Programm abzuspulen. Abwechslung heißt das Zauberwort. Reiter und Pferd immer wieder überraschen. Übungen immer anders kombinieren! Und immer auf die Tagesverfassung Rücksicht nehmen. Wir Menschen sind nicht immer gleich motiviert oder ausgeglichen und auch unseren Pferden sollten wir das zugestehen. Wo steht geschrieben, dass ich alle 3 Gangarten in jeder Stunde abrufen muss. Wenn die Basis im Schritt nicht passt brauche ich am Trab nicht arbeiten. Funktioniert der Trab nicht, warum sollte es dann im Galopp klappen. Frust, Zorn, Verzweiflung machen sich breit. Keine guten Voraussetzungen für eine gute Beziehung.

Aber ich bin ja auch kein Reitinstructor. Ich bin Coach und in dieser Funktion unterstütze ich auch gerne meine Freundinnen beim Reiten. Die Techniken werden sie dann von gut ausgebildeten Trainerinnen erhalten.
Lob und Anerkennung sind der Garant für Motivation. Nur ein motivierter Schüler ist ein lernbereiter Schüler und das gilt für Menschen und Tiere gleichermaßen. Das bedeutet sich auf individuelle Situationen vorzubereiten und in jeder Begegnung unterschiedlich einzusetzen. 

In meiner Arbeit habe ich gelernt mich auf ein Thema zu konzentrieren und dieses konsequent zu verfolgen. Mein Gegenüber ist nämlich sonst überfordert. Und in kleinen Schritten mit viel Lob und Anerkennung nähern wir uns Schritt für Schritt dem Ganzen.
Um das auch beim Reiten zu verdeutlichen, hier ein paar Beispiele. Ein ängstlicher Mensch wird mit seinen Beinen vielleicht klammern, zu fest und zu schnell am Gebiss ziehen. Ein unsicherer Mensch wird das Becken nicht locker mitschwingen können, ein Hektiker nicht langsam und ruhig die Zügel aufnehmen usw. Langes Bein, lockere Hüften, ruhige Hände, gerader Sitz! Ja das ist alles wichtig, aber bitte nicht auf einmal. Der Fokus soll auf das Wesentliche, auf die Basis gerichtet werden, dann sind Pferd und Reiter glücklich und motiviert.

Es geht immer um Beziehung und das sollten wir niemals vergessen!

Die Pferde sind ein herrlicher Spiegel unseres Verhaltens und zeigen uns unsere persönlichen Kernthemen auf. Reiterinnen wissen das natürlich, deswegen bitte auch reflektieren, erkennen und verändern. Nicht Reiterinnen können von unseren Co Trainern, den Pferden noch viel mehr lernen, denn sie nähern sich den Tieren natürlich, so wie sie eben sind. Und was sie sind, das zeigen die Pferde klar und unverfälscht auf. Deswegen ist Coaching mit Pferden für alle Lebenslagen so wertvoll und mit nichts vergleichbar. Nachhaltig, wertfrei und am Punkt.
Nähere Informationen - www.estutgut.com