Donnerstag, 15. Oktober 2015

Das Tier als Schlüssel!

Liebes Coaching Tagebuch!
 
Sei aufmerksam und achtsam! Ein sehr hoher Anspruch, denn wir Menschen nehmen nur selektiv wahr. Das bedeutet, dass bei der Wahrnehmung nur bestimmte Aspekte der Umwelt aufgenommen und andere ausgeblendet werden.  
 
Dies ist erforderlich, um die Fülle an Informationen überhaupt bewältigen zu können. Argumente, die die eigene Position stützen, werden dabei meist stärker wahrgenommen als solche, die sie beschädigen. Jeder Mensch nimmt die Welt auf eine ganz subjektive und individuelle Weise wahr, d. h., stets in Ausschnitten, Verzerrungen, Verkleinerungen, Vergrößerungen usw., und erst durch eine Interpretation dieses Ausschnitts werden die Daten der Umwelt zu Informationen. 
Jede schwangere Frau kennt die Situation in Einkaufsstraßen unendlich viele Schwangere zu sehen und wahrzunehmen, obwohl nicht überproportional viele Frauen schwanger sind. Die selektive Wahrnehmung lässt den Blick einfach abschweifen.
Ich habe mein jetziges Auto vor dem Kauf niemals wahrgenommen. Im Moment bin ich der Meinung ausschließlich dieses Auto zu sehen. Für mich ist es das meist verkaufte Auto 2015, die Verkaufszahlen sagen jedoch etwas anderes.

Tiere haben keine selektive Wahrnehmung. Sie nehmen alles wahr und filtern nicht. Das macht sie als Co Trainer so wertvoll, denn sie lernen uns Menschen wieder bewusster wahrzunehmen, nicht zu filtern bzw. eigene Muster zu verlassen. Wir Menschen werden dadurch im Umgang mit Menschen offener, kreativer und feinfühliger.
 
Zum Beispiel durch das Beobachten von Pferdeherden werden wir achtsamer. Jede Bewegung, jede Stellungsveränderung können wertfrei aufgenommen werden. Wichtig dabei ist nur zu sagen, was ich sehe. Interpretationen sind zu diesem Zeitpunkt unerwünscht. Beispiel: Ohren anlegen, Positionswechsel, wer trinkt zuerst, wie sieht das Fell aus, wer hat Schrammen, wer steht gut im Futter,….
Durch Sammeln der eigenen Beobachtungen entsteht langsam ein Bild, dieses darf dann interpretiert werden. Umso mehr Informationen wir Menschen gesammelt haben, umso stimmiger wird in weiterer Folge die Interpretation.
 
In der Begegnung mit Menschen nehmen wir uns nicht die Zeit. Unser Gegenüber wird „gescannt“ und innerhalb von wenigen Sekunden „schubladisiert“. In den wenigsten Fällen wechseln wir diese Schublade.
 
Auch als Coach laufe ich manchmal Gefahr zu schubladisieren. Deshalb finde ich die Arbeit im tiergestützten Setting so wertvoll, denn unsere Co Trainer, die Tiere, agieren anders. Sie bewerten ihr Gegenüber täglich neu, sind wertfrei und nicht nachtragend.
 
Sie sind der Spiegel der Menschen und glaube mir liebes Tagebuch, nach der Begegnung mit den Pferden habe ich meine(n) Klientin/ Klienten häufig anders wahrgenommen. Mein entscheidendstes Erlebnis war mit einem Klienten. Groß, gut trainiert, ein Arnold Schwarzenegger unter meinen Klienten. Er arbeitet als Türsteher in angesagten Wiener Clubs. Kurz gescannt und schon „schubladisiert“. Sehr männlich, sehr stark, Macho, aggressiv.
 
Schon die erste Begegnung mit den Hunden hat mich erstaunt. 
 
Beide Rüden legten sich zu seinen Füßen und der Klient streichelte, nein er liebkoste August und Benji. Seine Gesichtszüge veränderten sich und er wirkte ganz sanft und liebevoll. Nach ausführlicher Anamnese gingen wir dann gemeinsam zu den Pferden.
„Fly my Way“ war auch diesmal mein Co Trainer, besser gesagt meine Co Trainerin. Als Leitstute ist sie besonders kritisch. Zunächst einmal sollten sich die beiden nur kennenlernen, Hallo sagen, sich annähern. Fly sah diesen Arnold Schwarzenegger und reagierte sofort ehrlich, unverfälscht und wertfrei. Sie näherte sich an, senkte den Kopf und ließ sich streicheln. In ihren Augen spiegelten sich Sanftheit, Sensibilität und Vertrauen. 
 
Diese Begegnung half uns beiden in der gemeinsamen Arbeit ganz andere Aspekte einfließen zu lassen. Das Pferd war mal wieder der Schlüssel!

In nur wenigen Coaching Einheiten hatten wir unser definiertes Betreuungsziel erreicht. mehr Infos

Freitag, 2. Oktober 2015

Wer nicht hören will...!

Liebes Coaching Tagebuch!

„Wer nicht hören will, muss fühlen“ ist ein Sprichwort, das viele von uns kennen, wurde mir im wahrsten Sinne des Wortes zum Verhängnis. Doch fangen wir mal ganz vorne an.
Unser ganzes Leben besteht aus Kommunikation.  Sofern wir der deutschen Sprache mächtig sind sollte das doch ganz einfach sein. Dennoch vergessen wir, dass Kommunikation aus mehreren Teilen besteht. Die größte Bedeutung geben wir dem gesprochenen Wort, dabei macht die verbale Kommunikation nur 10% der gesamten Kommunikation aus.
 
10%!!! Das ist nicht viel, wenn wir berücksichtigen, dass 30% paraverbal ablaufen. Wie ist die Lautstärke, die Tonhöhe, das Sprechtempo und die Betonung. Denken wir nur an eine gemeinsame Autofahrt mit unserem Partner oder Partnerin. Unser(e) BeifahrerIn macht uns auf die grüne Ampel aufmerksam. An und für sich nur eine Beschreibung, die Ampel ist grün! Aber was löst das in uns als FahrerIn aus. Ich würde es als Aufforderung verstehen schneller zu fahren. Dahinter steckt die Botschaft: „geh bitte fahr nicht schon wieder wie eine Schnecke“ oder „gib Gas, ich bin spät dran“..! Ganz schnell verliert das verbale Wort an Bedeutung. Wir achten penibel genau auf Lautstärke, Betonung und Tempo.
 
Noch komplizierter wird Kommunikation, wenn wir beachten, dass 60% nonverbal ablaufen. Wie ist die Körpersprache, die Mimik unseres Gegenübers. (Nähere Infos:  Equiperience erleben klick). 60% läuft jenseits von Sprache ab, dennoch geben wir viel Geld für Weiterbildungen und Seminare ausschließlich im verbalen und paraverbalen Bereich aus.

  • Aber wissen wir wirklich wie wir auf andere wirken?
  • Sind wir uns unserer nonverbalen Kommunikation bewusst?
Ich kann diese beiden Fragen mit einem ganz klaren JEIN ;-) beantworten.

In meiner Arbeit als Coach im tiergestützten Setting zeigen mir unsere Tiere nonverbale  Kommunikation auf. Es gibt Tage, da kommuniziere ich klar und deutlich, bin kongruent und wert, mir zu vertrauen und mich zu respektieren. Aber es gibt auch diese Tage wo alles anders ist. Wo ich genervt, nervös, wütend, zornig oder unsicher bin. Vor allem meine Stute „Fly my Way“ ist ein perfekter Spiegel meines Gemütszustands. Sie zeigt mir immer klar und unverfälscht auf, wo ich stehe und ob es sich lohnt, mir zu vertrauen. Das sind dann die Momente, wo ich inne halte und an meiner Körpersprache und meiner seelischen Verfassung arbeite.
Ich bin jedes Mal zutiefst ergriffen, wenn Fly mir diese Möglichkeit und Chance gibt.

Aber wie sieht es umgekehrt aus?

Achte ich auf jedes Anzeichen, lasse ich mich auf unsere Form der Kommunikation zu 100% ein? Nein, leider nicht immer!
Fly versuchte mir immer wieder zu sagen: „Etwas stimmt nicht mit mir, mir tut meine Rücken weh, mein Genick schmerzt, bitte gib Acht auf mich, ich bin nicht in der Lage geritten zu werden!“ All die sanften Vorzeichen, einer ganz besonders liebevollen Kommunikation habe ich nicht gesehen, selbst größere Unmutsäußerungen habe ich überhört. Ich wollte eine Trainingseinheit unter dem Sattel wahrnehmen, ohne Wenn und Aber. Die einzige Möglichkeit die meine Stute nun hatte auf ihre Schmerzen aufmerksam zu machen war mich loszuwerden. Alle ReiterInnen unter euch wissen was das bedeutet. Von leichtem Bocken, über Steigen über heftiges Buckeln, alles nur um den Reiter und die Schmerzen loszuwerden. Gesagt, getan. Fly hat gewonnen und es dann doch geschafft mich abzuwerfen.
Und dann lag ich da am Rand des Vierecks und rang nach Luft. Kein angenehmes Gefühl! Auch wenn mir der Schock noch in den Gliedern saß war mir bewusst, das schaut nicht gut für mich aus. Ich will die Fahrt ins Krankenhaus und die Schmerzen nicht näher beschreiben.
Fazit: 3 gebrochene Rippen. Das tut echt weh, aber abgesehen von den körperlichen Schmerzen war ich zutiefst gekränkt und enttäuscht.

Gekränkt und enttäuscht von MIR!

Diese wundervolle Stute hat mir seit Jahren vertraut, mich als Leitstute akzeptiert und mich respektiert und mit einem Mal war alles was wir uns gemeinsam aufgebaut haben dahin. Vergessen, zerstört!

In den langen Wochen meiner Genesung hatte ich nun Zeit mich auch um Fly`s Gesundheit zu kümmern. Chiropraktische Behandlungen, Massagen und vertrauensbildende Maßnahmen prägten unseren Alltag. Körperlich sind wir nun beide wieder fit, nur das Erlebte sitzt tief. Fly muss wieder vertrauen zu mir fassen und deswegen nütze ich die Zeit für Wohlfühl - Massagen, Spaziergänge und Ausritte als Handpferd. Die Arbeit im Round Pen tut uns beiden gut und langsam wächst das gegenseitige Vertrauen. Auch den Sattel kann Fly mittlerweile wieder akzeptieren. Wann der richtige Zeitpunkt ist, wieder in diesen zu steigen, wird sie mir sagen. Und diesmal höre ich hin, bin achtsam und nehme jede Form der Kommunikation wahr.

Den richtigen Zeitpunkt bestimmt mein Pferd, denn ich weiß, wenn es für sie wieder in Ordnung geht, wird Fly auf mich aufpassen und auch ich kann erneut vertrauen.

Was ist nun das therapeutische Outcome dieser Geschichte?

Ich muss immer und überall auf nonverbale Kommunikation achten. Ich muss achtsam und behutsam mein Gegenüber wahrnehmen, auf meinen Bauch hören und Menschen dort abholen, wo sie stehen. Respekt und Vertrauen müssen erarbeitet werden und dürfen durch nichts erschüttert werden.

Wie diese Erfahrung meine Arbeit als Coach im tiergestützen Setting nachhaltig beeinflussen wird lest ihr im nächsten Eintrag.